Zuerst rieche ich den Lavendel. Dann die trockene Luft. Es ist Sommer, hallo Südafrika! 20 Stunden Flug liegen hinter uns und ich bin noch etwas benommen, als wir nach der langen Reise endlich am Flughafen ankommen und in unseren Leihwagen steigen. Schon die Fahrt auf dem Parkplatz ist eine Herausforderung. Linksverkehr. Hallo Abenteuer! Ein Reisebericht von Julia Reiß.

Wir fahren von Kapstadt zu unserer ersten Unterkunft nach Stellenbosch und während ich den blühenden Sommer da draußen an uns vorbeirauschen sehe, summe ich freudig „Waka waka, eh eh (This time for Africa)“. Wie sehr habe ich mich auf diesen Urlaub gefreut!

Links und rechts ziehen weite Felder mit mächtigen Bergen im Hintergrund an uns vorüber, die mich mal an die USA und dann doch wieder an Südfrankreich erinnern, ich kann mich nicht entscheiden. Wenig später beginnen die Weinberge, die ein bisschen wie meine Heimat Rheinhessen aussehen. Doch der Vergleich hinkt. Südafrika ist viel schöner!


Und als ich unsere Unterkunft, das Zorgvliet Wine Estate, inmitten dieses malerischen Tals sehe, bin ich sprachlosDie weißen Häuschen zwischen den Weinreben wirken wie gemalt. Ich will vor Freude in die Luft springen, doch wir haben keine Zeit. Eine Weinprobe wartet auf uns. Nach einem guten Tropfen Rotwein und einem deftigen Burger fallen wir tot ins Bett.


Dicke Hintern und Antennen

Ein dicker, grauer Hintern guckt aus dem dichten Grün hervor, faltig und behaart. Ein Elefant! Daneben noch einer. Und plötzlich sehe ich eine ganze Elefantenfamilie neben uns. Sie stehen fressend im Busch und lassen dabei die ganzen Sträucher lustig wackeln. Den Moment, als ich die riesigen Tiere, die ich sonst nur aus Zoos kenne, auf einmal so nah sehe, werde ich wohl nie vergessen. Sanftmütig sollen die Dickhäuter sein und wie leise sie sich fortbewegen, merken wir spätestens, als einer dieser dicken Brummer völlig geräuschlos an uns vorbeischreitet. Es ist der dritte Tag unserer Reise und wir fahren durch den Addo Elephant National Park. Auf zu den Tieren! Neben Elefanten sehen wir vor allem Zebras, Riesenschildkröten, Antilopen und Warzenschweine. Die haarigen Schweinchen finde ich besonders niedlich. Wenn sie rennen, zeigen ihre Schwänzchen wie Antennen nach oben. Nur die Leoparden zeigen sich uns nicht. Vielleicht haben auch sie gerade Urlaub.



Safari mit Wuschelkatzen

Für den Abend haben wir eine Safari durch das Schotia Private Game Reserve gebucht, ein Privatreservat, das im Osten direkt an den Addo Park grenzt. Das offene Auto ist genau so wie man es aus TV-Dokumentationen kennt. Nur die Brüstung wirkt niedriger. Ich setze mich vorsichtig direkt an den Rand. Das Highlight unserer Tour liegt nur wenige Fahrminuten von uns entfernt. Und dann sind wie ihnen auf einmal ganz nah: Löwen! Wir nähern uns ihnen ganz langsam und ich bin sofort fasziniert, wenn auch etwas ängstlich: Fast niedlich wirken die Riesenkatzen mit ihren Wuschelmähnen, wie sie da im Gras sitzen, gähnen und scheinbar ziemlich unbeeindruckt von uns sind. Das soll natürlich auch so bleiben. Daher versuche auch ich, möglichst uninteressant auf sie zu wirken.

Als die Sonne fast untergegangen ist, fahren wir an Büffeln, Nashörnern, Nilpferden und Antilopen vorbei zu unserem Abendquartier, wo uns ein typisch südafrikanisches Abendessen erwartet. Wie wir merken, sind wir nicht die einzigen, die diese Tour gebucht haben. Eine ganze Horde von Menschen hat sich unter den Zelten versammelt: Holländer, Kanadier, Australier, Deutsche. Sie kommen aus aller Welt. An der Theke gibt es Wein und Bier, aus einer Ecke ertönt Gitarren- und Mundharmonikamusik, in der Mitte fackeln mehrere Lagerfeuer. Wir essen köstliche Hähnchenspieße, Rind und Mieliepap (eine Art Maisbrei – sehr lecker!) und beobachten diese unbeschreibliche Szenerie. Wir sind im Himmel! Hier will ich bleiben.

Fast wie bei Freunden

Am Morgen danach empfangen uns Moses und seine Frau Prisca wie gewohnt herzlich mit einem leckeren Frühstück in unserer Unterkunft. Wir sind im Addo Afrique Estate, einem Privatreservat direkt neben dem Addo Elephant National Park. Unsere freundlichen Gastgeber kommen beide ursprünglich aus Simbabwe und haben sich mit der Bewirtung von Gästen in der Lodge ein neues Leben aufgebaut. Reich sind sie für europäische Verhältnisse nicht, doch  sie haben genug, um in einem schönen Haus zu leben und um ihren Sohn auf eine Privatschule zu schicken. Damit sind sie unter den Südafrikanern leider die Ausnahme. Ein Großteil von ihnen, sagt Moses, verdient im Schnitt gerade einmal 2.000 Rand (ca. 140 Euro) im Monat, wenn sie denn überhaupt einen Job haben. Viele der (knapp 80 Prozent schwarzen) Südafrikaner leben nach wie vor in Townships, in winzigen Wellblechhütten, abgeschottet vom Rest der Welt. Und fast genauso abgeschottet lebt eine kleine Minderheit, überwiegend Weiße, in großzügigen Häusern, blickdicht hinter hohen Mauern. Die Auswirkungen der Apartheit – man kann sie noch immer spüren.

Hallo Hinterland!

Gegen Mittag fahren wir nachdenklich weiter. Mit unserem Toyota geht es heute durchs Hinterland, wo alles noch ursprünglicher und weniger touristisch ist. Dabei wippt mein Kopf zum wunderbaren Lied „I wonder“ von Singer und Songwriter Sixto Rodriguez. Großartig! In den 70er Jahren berührte der US-Musiker mit seinen Folkliedern in Südafrika eine ganze Generation – leider ohne es zu wissen, denn in den USA blieb sein Erfolg aus. Hier unten dagegen wurden seine Lieder zu einem Symbol gegen die Apartheid. Dass Rodriguez in Südafrika wie ein Superstar gefeiert wurde, fand er selbst erst in den späten 90ern heraus, wie die Dokumentation „Searching for Sugar Man“ beeindruckend zeigt.

Wenig später meldet sich der Hunger. Wir halten beim „Sonneblom Farmstall“, einem der typischen Farmgeschäfte am Straßenrand. Der kleine Laden neben der hauseigenen Bäckerei ist vollgestopft mit südafrikanischen Spezialitäten und es duftet herrlich nach Selbstgebackenem. Wir entscheiden uns für zwei große Cupcakes, eine Packung Kekse, Dattelpralinen, ein Glas Tomatenchilli-Marmelade sowie eine Flasche Ingwerbrause und zahlen dafür gerade einmal 67 Rand – umgerechnet etwa 4,50 Euro. Wir sind im Schlaraffenland!

Jeffreys Bay – da, wo die Wellen wellenreiten

Am Abend erreichen wir unser nächstes Nachtquartier: FunkyTown in Jeffreys Bay. Der Name „Funky“ ist in dieser Unterkunft Programm: Überall an den Wänden hängen knallbunte Popart-Bilder. Ein Straßenkünstler aus Kapstadt hat sie gemalt, wie man uns erklärt. Zusammen mit den Designermöbeln wirkt alles sehr hip und gleichzeitig so locker und ungezwungen, dass ich gerne länger bleiben würde. Überhaupt ist Jeffreys Bay ein Ort, an dem sich vor allem junge Leute und Surfer tummeln. Tattoo Studios, Brauereien, hippe Modeläden wie ein Billabong Outlet Store und Surfergeschäfte prägen das Straßenbild. Der Strand ist so breit und ruhig, dass man am liebsten ewig hier verweilen und den Surfern beim Bezwingen der riesigen Wellen zusehen möchte. Wer mag, kann zwei Stunden Probe surfen. Wir entscheiden uns, den Tag stattdessen mit zwei Bierchen am Strand ausklingen zu lassen.


Oh, Kapstadt!

Wir laufen über die Straße und versuchen, nicht überfahren zu werden. Linksverkehr! Ich muss mich immer wieder daran erinnern. Selbst auf dem Bürgersteig überholt man auf der anderen Seite. Wir sind in Downtown Kapstadt, der „Mother City“, wie die Südafrikaner sagen, dem letzten Stopp unserer Reise.

Gerade kommen wir aus dem District 6 Museum, das diesige Wetter schien heute wie gemacht dafür. Sehr authentisch erfährt man hier, wie die schwarzen und farbigen Bewohner des ehemaligen Künstlerviertels District 6 zwischen den 1960er und 1980er Jahren zwangsumgesiedelt und ihre Häuser niedergewalzt wurden. Es ist ein trauriges Beispiel für die staatlich angeordnete „Rassentrennung“, die noch immer nicht ganz überwunden zu sein scheint.

Die Eindrücke verarbeitend fahren wir zu Kapstadts Bo Kaap, was so viel wie „Über dem Kap“ heißt. Mit seinen quietschbunten Häusern ist das Viertel eine richtige Touristenattraktion geworden: Pink, Gelb, Blau, Lila und Grün verheißen Lebensfreude pur. Wie viele andere hole ich die Kamera raus und kann nicht aufhören zu knipsen.

Der Aufstieg

Zwei Tage später bin ich mit den Kräften am Ende. Der Aufstieg des Tafelbergs – ich weiß nicht genau, auf was ich mich da eingelassen habe. Meter für Meter schleppen wir uns den beschwerlichen Pfad nach oben, 700 Höhenmeter insgesamt. Die Felsstufen sind teilweise so riesig, dass man klettern muss. Immer wieder wische ich mir den Schweiß von der Stirn und japse nach Luft. Nach 1 Stunde 20 haben wir es geschafft: Kapstadt von ganz oben. Glücklich blicken wir auf das Meer und die Stadt mit ihren breiten Stränden, den lebensfrohen Menschen und dieser ganz besonderen Magie. Von oben kann man den weißen Ring, das bekannte Fußballstadion, deutlich erkennen. Ich versuche jeden Winkel förmlich aufzusaugen.


Am letzten Abend fahren wir die Küstenstraße von Camps Bay entlang. Wir wollen zum Signal Hill. Die schönsten Sonnenuntergänge von ganz Kapstadt soll man von dort oben sehen können. Doch zuerst passiert etwas, was ich nicht mehr für möglich gehalten habe: Links im Meer sieht man in der Ferne unzählige Wasserfontänen. Durch den Kamerazoom erkennt man sie ganz deutlich: Wale! Eine ganze Familie! Immer wieder tauchen unzählige Flossen auf und es wirkt, als würden sie uns winken. Oben auf dem Signal Hill sehen wir sie noch immer. Mit Rotwein sitzen wir gedankenversunken zwischen anderen Picknickenden und genießen das atemberaubende Licht mit dem Blick aufs Meer. Es sind unsere letzten Stunden in Südafrika. Ein letztes Mal winken uns von unten die Wale, bis der senfgelbe Kreis am Horizont verschwunden ist. Fast ein wenig kitschig wirkt die ganze Szenerie. Schöner Kitsch, denke ich und sage gedanklich tschüss. Bye bye, du wunderschönes Land! Sehen wir uns wieder?

Text by Julia Reiß

Photos by Julia Reiß und Benjamin Müller

Nützliche Tipps für einen Trip durch Südafrika

Während unseres zweiwöchigen Trips durch Südafrika haben wir folgende Route gewählt: Stellenbosch – Knysna – Addo Elephant National Park – Jeffreys Bay – The Crags/Plettenberg Bay – Kapstadt 

Die Tage waren unheimlich erlebnisreich und fast zu vollgepackt, weil es so unheimlich viel zu sehen gibt. Daher sollte man für einen Südafrika-Roadtrip am besten drei Wochen einplanen. Die Route haben wir individuell zusammengestellt und alle Übernachtungen vorher über booking.com gebucht. Nachfolgend noch Unterkünfte und Orte, die wir besucht haben und die ich jederzeit wieder wählen würde:

Übernachten

Zorgvliet Wine Estate, Stellenbosch

Übernachten wie im Reisemagazin: Eine der schönsten Unterkünfte, in der ich je übernachtet habe: sehr geschmackvolle Zimmer, eine atemberaubende Umgebung und grandioses Essen.

Villa Mulligan, Knysna

Die Unterkunft wird von einem deutschen Auswanderpaar aus Baden-Württemberg (Markus und Christina) betrieben. Sehr nette Bewirtung, der Ausblick auf die Lagune von Knysna ist ein Traum. Morgens gibt es ein 1 A-Frühstück mit einer riesigen Auswahl. Ganz besonders mochte ich die Brötchen aus einer deutschen Bäckerei.

Addo Afrique Estate, Addo

Übernachten inmitten der Natur: Ein kleines Privatreservat, in dem Giraffen und afrikanische Strauße frei herumlaufen. Von der Außendusche unseres Balkons konnten wir in den Addo Elephant National Park hinüberschauen und u.a. Zebras und Elefanten beobachten.

Sehr nette Gastgeber und sehr gemütliche Zimmer.

Funky Town, Jeffreys Bay

Pop art at its finest: Hippe Unterkunft, in die es vor allem junge Leute zieht. Geschäfte, Restaurants und der Strand sind direkt um die Ecke. Es gibt leider kein Frühstück, dafür aber viele gute Möglichkeiten, um auswärts zu essen.

Tamodi Lodge, The Crags

Der Inhaber der Unterkunft ist Architekt und das merkt man auch. Eine atemberaubende Lodge, wenn auch etwas dekadent. Infinity Pool, Weinkeller und riesige Zimmer; aus dem Bett blickt man direkt in ein weites, grünes Tal.

Dreamhouse Guesthouse, Hout Bay, Kapstadt

Das Guesthouse ist auf einem wunderschönen Berghang gelegen. Von der kleinen Anlage aus überblickt man die ganze Bucht von Hout Bay. Die Inhaberin kommt aus der Nähe von Wiesbaden.

Essen

In Südafrika kann man überall fabelhaft essen und bekommt wirklich alles – von internationaler Küche wie Pizza und Pasta über Fisch, asiatische und vegetarische Gerichte bis zu einheimischen Speisen wie z. B. Mieliepap (Maisbrei) mit Chakalakasauce (gemüsig und würzig), Süßkartoffeln und verschiedenste Fleischsorten wie u.a. Strauß, Kudu, Springbock und Rind.

Caffe Mario, Knysna

Restaurant mit guter italienischer Küche direkt an der Waterfront

Catch of the Day, Jeffreys Bay

Frischer Fisch und mehr

InFood Bakery & Deli, Jeffreys Bay

Bäckerei mit Shop und gemütlichem Café: geniales Frühstück à la Carte mit ungewöhnlichen Gerichten

Cheyne’s, Hout Bay (Kapstadt)

Asiatisch angehauchte Tapasbar, die nur leider nicht ganz günstig ist

The Lookout Deck, Hout Bay (Kapstadt)

Maritime, internationale Küche mit toller Atmosphäre direkt am Hafen

Besuchen

Addo Elephant National Park: der bekannteste Nationalpark am Ostkap

Schotia Private Game Reserve: kleineres, aber beeindruckendes Reservat

Birds of Eden: ein Gehege mit tollen, exotischen Vögeln

Elephant Sanctuary: eine Anlage, in der verletzte Elefanten wieder auf ein natürliches Leben in der Wildnis vorbereitet werden. Hier kommt man Elefanten ganz nah!

Monkeyland: Affen, die als Haustiere oder im Zirkus gehalten wurden, werden wieder an ein normales Leben herangeführt

– Nature’s Valley, bei Plettenberg Bay: ein endlos langer, unberührter Strand mit angrenzendem Urwald

Robberg Nature Reserve, bei Plettenberg Bay: Grandiose Halbinsel, die man einmal umwandert haben sollte!

District 6 Museum, Kapstadt

Waterfront, Kapstadt: zum Schlemmen und Bummeln ideal!

– Bo Kap, Kapstadt: das wohl bunteste Viertel der Stadt

– Kap der guten Hoffnung, ca. 1 Std von Kapstadt entfernt: je nach Jahreszeit sehr überlaufen

– Boulders Beach, Simon’s Town: ein Strand, an dem eine ganze Pinguin-Kolonie lebt

– Tafelberg: erklimmen oder – für Faule – mit der Seilbahn hochfahren

Parken

Was für uns Europäer befremdlich wirkt, ist in Südafrika normal: Wenn man parkt, bezahlt man einen Parkplatzwächter dafür (am besten immer hinterher!). Für viele Südafrikaner ist dies eine wichtige Einkommensquelle. Es gibt keine offiziellen Preise, jeder zahlt ein Trinkgeld, das er für angemessen hält.

Sehen

Dokumentarfilm Searching For Sugar Man: Einfach mal den Trailer bei YouTube anschauen.

Südafrika – Der Kinofilm

Hören

Album Searching for Sugar Man von Sixto Rodriguez